Am Sonntag, dem 18. Juni 2023, besuchte Miki Katzenstein-Dror zusammen mit ihrem Ehemann Gur Jesberg, die Heimat ihrer Vorfahren, und erfüllte sich damit einen langen gehegten Wunsch.
Hauptanlass ihres Deutschlandbesuchs war aber eigentlich ihre und ihres Bruders Ofer Teilnahme an den Planungen für ein Mahnmal in München-Riem zum Gedächtnis an einen 1970 verübten Terroranschlag, bei dem ihr Vater Arie Katzenstein ums Leben kam. Drei palästinensische (arabische) Terroristen wollten ein israelitisches Flugzeug nach Libyen entführen, schossen mit Sturmgewehren und warfen Handgranaten. Ein Sprengkörper flog in den Transitbus zur Maschine, in dem bereits der 32jährige Arie K. mit seinem Vater und anderen Fluggästen waren. Er warf sich auf die Granate, starb bei der Explosion, rettete dadurch aber das Leben vieler anderer, wohl auch das seines Vaters – Mikis (damals 8 Jahre alt) Großvater Heinz K., der schwer verletzt wurde.
Arie Katzenstein hatte mit seiner Frau mehrere Jahre in München gelebt und auch hier studiert. Das erste seiner drei Kinder – Tochter Miki – wurde in der Stadt geboren.
Bei den Vorbereitungen auf die Reise nach Deutschland verwirklichte Miki Katzenstein-Dror ihren Wunsch, Jesberg kennenzulernen, und nahm über die Verbindung zu kirchlichen Stellen in Kassel und auch dem ehemaligen Jesberger Pfarrer Bernd Böttner Kontakt mit Heinz und Erika Hildebrandt auf, die sich bereit erklärten, sie bei ihrem Besuch zu begleiten.
Am 18. Juni um 9.00 Uhr kamen Miki und Gur (als Anrede ergaben sich wie selbstverständlich die Vornamen!) dann nach Jesberg. Nach kurzer Begrüßung verschafften sich die Besucher, zusammen mit Heinz Hildebrandt und Harald England vom Burgturm, einen Überblick über die frühere Heimat von Mikis Vorfahren. Bei einem anschließenden Rundgang durchs Dorf, an dem auch Erika Hildebrandt und Regina Ochs beteiligt waren, warfen sie einen Blick auf einst von Juden bewohnte Häuser und die ehemalige Synagoge. Besonders interessiert war Miki an dem Gebäude, das ihre Großeltern bewohnten. Der jetzige Besitzer Michael Jung ermöglichte ihr, sich das Haus von innen anzusehen, was sie innerlich sehr bewegte.
Bei einem Mittagsimbiss im evangelischen Gemeindehaus „Arche“ betrachtete man gemeinsam – jetzt auch mit Bürgermeister Heiko Manz – Schriftstücke und Bilder zur Geschichte der jüdischen Vergangenheit Jesbergs, die Regina Ochs in großem Umfang ausgelegt hatte und Harald England als PowerPoint präsentierte.
Am Nachmittag erfolgte in Begleitung von Pfarrer Reinhard Keller ein Besuch des jüdischen Friedhofs.
Danach traf man sich zum abschließenden Kaffeetrinken, das Erika Hildebrandt und Martina Weinzierl in der Zwischenzeit vorbereitet hatten, wieder in der Arche.
Gegen 18.00 Uhr verabschiedeten sich die Besucher mit dem Wunsch, im nächsten Jahr wiederzukommen.
Nach einigen Tagen bedankte sich Miki Katzenstein-Dror in einem langen Schreiben u. a. mit den Worten „ . . . . Ich bin wirklich dankbar, dass ich diese Ehre / Aufmerksamkeit erhalten habe. Jesberg ist wunderschön und die Menschen dort sind so gut und gastfreundlich. Die Geschichte meiner Familie ist traurig, aber dieser Tag hat mir viel Energie gegeben . . . . . .“
(Harald England / Heinz Hildebrandt)
Der Tag in Bildern
Wohnhäuser jüdischer Mitbürger
Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde in Jesberg
In Jesberg gab es seit 1664 jüdische Familien. 1744 waren es fünf, 1776 sieben Familien. Im 19. Jahrhundert entwickelte sich die Zahl der jüdischen Einwohner wie folgt:
- 1835: 53 jüdische Einwohner,
- 1861: 55 (5 % von insgesamt 1.105 Einwohnern),
- 1871: 77 (8,0 % von 960),
- 1885: 85 (10,1 % von 837),
- 1895: 73 (8,8 % von 834; etwa 20 Familien),
- 1905: 89 (10,8 % von 827)
Zur Gemeinde Jesberg gehörten auch die in Densberg lebenden jüdischen Personen. 1835 leben hier 5, 1861 sind es 34, 1905 noch 19 und 1924 nur noch 2 jüdische Einwohner.
Die jüdischen Einwohner betrieben Landwirtschaft, Vieh- und Pferdehandel sowie Manufakturwarenhandel; dazu gab es Mitte des 19. Jahrhunderts auch einen jüdischen Sattler und einen Metzger.
Vor 1933 gab es in Jesberg ca. 20 Häuser, die deutschen Mitbürgern mit jüdischem Glauben gehörten. 19 Häuser sind noch vorhanden. Ein Haus, es ist rot gezeichnet, wurde im Zug der Straßenverbreiterung (B3) abgerissen.
Anlässlich des Besuchs der Familie Dror wurden die Wohnhäuser gelistet und in dem PDF zusammengestellt.